Ranjanis schweres Los

Viele Zehntausende Frauen aus Südostasien suchen als Wanderarbeiterinnen in den Ländern des Nahen Ostens Arbeit als Hausangestellte, in Textilfabriken oder im Gastgewerbe. Nicht alle Wanderarbeiterinnen haben Glück in der Ferne und nicht wenige scheitern. Um jene, die Hilfe brauchen, in Not geraten sind und vielleicht unfreiwillig in die Heimat zurückkehren müssen, kümmern sich die Salvatorianerinnen in Amman.

Wenn etwas günstig ist in Jordanien dann das Taxifahren. Überall sind sie zu sehen, die gelben Autos, die die Millionenstadt durchqueren. Wir sind unterwegs inmitten der Rush Hour von der Wohnung der Salvatorianerinnen im Viertel Jabal al Hussein, quer durch die Stadt. Der Taxifahrer hat es eilig. „Give me 1,5 Dinar”, 1,50 JD – das sind rund 1,90 Euro, ein Spottpreis für knapp acht Kilometer. Doch wenn man bedenkt, dass man für diesen Preis beim Bäcker 14 kleine Fladenbrote bekommt, ist Taxifahren in Amman für viele eben doch ein Luxus. Kaum haben wir an einer großen Straßenkreuzung das Taxi verlassen, da wartet schon Ranjani auf uns. Auf Flip-Flops eilt sie uns voraus, schnell noch in einen kleinen Laden, um ein paar Süßigkeiten zu kaufen. Die stehen kurze Zeit später auf dem Tisch ihrer Wohnung.

Ranjani, 55 Jahre, ist seit 30 Jahren in Jordanien. Sie hat in verschiedenen Familien und Haushalten gearbeitet. Ihre Wohnung im Untergeschoss, ca. 25 Quadratmeter, ist sehr beengt, die Wände feucht, der Putz bröckelt von den Wänden. Alle Habseligkeiten stapeln sich auf Tischen und in den Ecken. Die Miniküche ist voll mit Geschirr, Töpfen, Gläsern, Gewürzen. Was auf uns eher ärmlich wirkt, ist Ranjanis kleines Reich. 90 JD, umgerechnet 115 Euro, zahlt sie für diese Behausung. Doch diese kann sie schon zwei Monate nicht bezahlen, da ihr mit nur einer Arbeitsstelle und nur 20 JD Wochenverdienst das Geld fehlt. Freunde und andere Frauen unterstützen sie ein wenig, bringen Lebensmittel, helfen mit Medikamenten. Ranjani hat Diabetes, die Tabletten sind teuer. Auch wir bringen etwas mit – Öl, Reis, Tee – und werden sogleich selbst beschenkt mit einem Tee, mit frisch zubereitetem Linsencurry. Gastfreundschaft ist ein hohes Gut!

Ranjani ist die Freude über den Besuch anzumerken. Sie lächelt und entschuldigt sich „Die Zähne … viele mussten gezogen werden, für Neue reicht das Geld nicht.“ Über eine Krankenversicherung verfügt Rajani nicht.

Vom Regen in die Traufe

Insbesondere Frauen verlassen ihre Familien und versuchen im Ausland Geld zu verdienen. Oft sind die Lebensbedingungen zuhause unerträglich, es fehlt an Arbeit und Einkommen. Das hoffen die Frauen in Jordanien durch befristete zweijährige Arbeit in Textilfabriken oder als Hausangestellte zu verdienen. Meist geht es darum, die Schul- und Ausbildung der eigenen Kinder in der Heimat zu finanzieren. Die sollen es einmal besser haben und nicht als billige Lohnarbeiter enden wie Vater und Mutter. Viele Frauen kommen unvorbereitet ins Land, wissen kaum, was sie erwartet. Sie kennen weder Kultur noch Sprache. Über Agenturen in Sri Lanka werden sie an Familien in Jordanien vermittelt.

Immer wieder scheitern diese Arbeitseinsätze. Häusliche Gewalt und sexuelle Übergriffe veranlassen die Frauen, vom Arbeitsplatz wegzulaufen. Pass, Papiere befinden sich häufig im Besitz des Arbeitgebers, und so sind die Frauen – vertragsbrüchig, ohne Geld und Dokumente – plötzlich illegal in Jordanien. Sie suchen Unterschlupf in den Armenvierteln, verlieren die Verbindung mit ihrer Familie, mit Mann und Kindern, mit Eltern und Geschwistern in der Heimat. Vereinzelt gehen sie neue Beziehungen ein, es folgen Schwangerschaften, Abtreibungen, Probleme mit der Polizei, gefolgt von Gefängnis und Abschiebung, eine langsame Verelendung. Und immer wieder die Frage: Wie kann diese Situation verhindert werden oder wie kann bessere, wirksamere Hilfe gegeben werden.

Vielfältige Herausforderungen

Vor rund 20 Jahren haben die Salvatorianerinnen ihre Tätigkeit in Jordanien aufgenommen. Intensiv widmen sie sich der Begleitung und Beratung der Wanderarbeiterinnen aus Asien. Sr. Theresa, die selbst aus Sri Lanka stammt, sagt: „Unsere Aufgaben als Schwestern sind vielfältig. Mit einem jordanischen Priester und den Mutter-Teresa­Schwestern haben wir Gelegenheit, im Gefängnis Inhaftierte verschiedener Nationalitäten zu besuchen. Wir vermitteln, wo nötig, Rechtsbeistand. Wichtig ist, dass wir den Menschen zuhören, ihre Schicksale anhören und sie mit notwendigen Dingen wie Zahnbürsten, Seife, Duschgel, Handtuch, Wäsche und Telefonkarten unterstützen.“

Zeit nehmen sich die Schwestern für die Besuche bei kranken MigrantInnen, sei es bei ihnen daheim oder im Hospital und auch bei jenen, die am Verlust eines geliebten Familienmitglieds in der fernen Heimat leiden. „Gebet und Segen schenken ihnen in diesen Momenten besonderen Halt und Trost“, ergänzt Sr. Mirjam.

Die Auswirkungen der Pandemie

Die Pandemie blieb auch in Jordanien nicht ohne Folgen. Viele sogenannte „Part­Timer“ (ohne Festanstellung in Familien) haben ihre Jobs verloren und damit ihr Einkommen. Ein Teufelskreis beginnt. „Hier versuchen wir mit Beratung und auch praktisch Hilfe zu leisten, die Menschen mit dem Lebensnotwendigen zu versorgen. So packen wir auch immer wieder Lebensmittelpakete mit Reis, Öl, Zucker, Hygieneartikel, Seifenprodukte etc., dazu Kleidung und einige Haushaltsgegenstände“. Sr. Deepa, die aus Indien stammt, verstärkt seit drei Jahren die kleine Gemeinschaft in Amman.

Nach Sri Lanka zurückkehren?

Ranjani denkt nach – ihre Schwester hat sie eingeladen zurückzukommen. Doch Sri Lanka leidet derzeit unter der größten Wirtschaftskrise seit 1948. Die Menschen vor Ort kämpfen selbst ums Überleben.

Andererseits ist Ranjani seit zwei Jahren ohne Visum – also illegal im Land. Sie kann sich eigentlich nicht einmal in Amman, geschweige denn im Land bewegen oder ausreisen. Die Kosten für ein Visum betragen 45 JD pro Monat. Ranjani kann weder die Miete zahlen, erst recht kein Visum. Ihr bleibt nur die Hoffnung auf eine Generalamnestie des Königs. Damit verbunden sind der Erlass einzelner Haftstrafen oder ein kostenfreies Visum zur Ausreise. Doch selbst dann fehlt Ranjana das Geld für das Ticket und den Versand ihrer kleinen, bescheidenen Habe, die sich in den Jahren angesammelt hat.

Die Aussicht auf Arbeit und einen Verdienst, selbst unter schwierigsten Bedingungen, hat viele Frauen und Männer als Arbeitsmigranten in die Golfstaaten und in den Nahen Osten gelockt, in Fabriken, auf Baustellen und als Hausangestellte. Konkurrenz und Lohndumping sind groß. Waren einst Arbeitskräfte aus Sri Lanka preiswert und gefragt, so werden sie jetzt von Frauen aus Bangladesch und aus Afrika verdrängt. Die Frauen wissen, dass ihr geforderter Lohn die Nachfrage bestimmt. Wer sich und seine Arbeitskraft billig anbietet, wenig Ansprüche stellt, nicht widerspricht, hat derzeit die besten Chancen auf einen Job.

Der srilankische Staat hat wenig Interesse hier einzugreifen und überlässt das Geschäft den über 100 Agenturen im Land, die Arbeitskräfte anwerben und vermitteln. Die Devisen, die auf diese Weise ins Land zurückflossen, haben lange Zeit die Wirtschaft befördert.

Die Pandemie hat auch hier einen Dämpfer gebracht. Viele Migranten verloren ihre Arbeit, saßen in Jordanien fest. Viele jordanische Familien fürchteten, dass die Angestellten ihnen Corona ins Haus bringen und haben die Frauen entlassen. Die Zahl der in Jordanien lebenden Wanderarbeiterinnen ist zurückgegangen. Angesichts der schweren Wirtschaftskrise in Sri Lanka wird sie aber vermutlich wieder steigen. Hunderttausende drängen sich vor den ausländischen Botschaften in Colombo, wollen ein Visum um sich im Ausland als Billiglohnkraft anzubieten.

Was wird die Zukunft bringen?

„Unsere Arbeit hat sich kaum verändert“, so Sr. Mirjam. „Wir betreuen heute deutlich mehr Frauen z.B. aus Bangladesch, Indien und Kenia, die uns um Rat fragen, in Not geraten sind. Die Frauen geben untereinander unsere Adresse weiter. Wir gehen in die Slums, in Fabriken, sprechen mit den Familien, die die Frauen beschäftigen. Wir organisieren Rechtsbeistand, medizinische Hilfe, kümmern uns um Minderjährige und Kinder. Wir treffen uns zu Gesprächen, zu Gebet und Gottesdiensten. Seelsorglicher Beistand ist wichtig – ob Buddhisten, Christen, wir sind für alle da.“

Es sind viele Eindrücke, Menschen, die wir getroffen haben und die sich unter schwierigsten Bedingungen in der Fremde durch das Leben kämpfen. Die Salvatorianerinnen bleiben und leben hier in Amman an ihrer Seite. Sie bringen die Frohe Botschaft, Hoffnung und Licht, wo so viele ratlos sind und keinen Ausweg sehen. Es sind kleine, lebenspendende Schritte gemäß dem Evangelium: die Hungernden speisen, den Fremden beistehen, die Nackten bekleiden, die Kranken besuchen und jene im Gefängnis. Das ist der Auftrag auch in der Zukunft.

Die Schwestern bieten persönliche Unterstützung und Begleitung bei Fragen und Problemen aller Art – bis hin zu schulischen Hilfen wie für die zwölfjährige Jyoti. Sie ist in Jordanien geboren, hat bis heute keine Geburtsurkunde, existiert quasi nicht und kann demnach keine offizielle Schule besuchen.

„Wir beraten und leisten praktische Hilfe”
Sr. Deepa

Noch mehr über die Arbeit der Salvatorianerinnen sowie der Patres und Laien der salvatorianerischen Familie lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der jährlichen Zeitschrift „Salvator weltweit“

PDF: „Eine Welt – eine Menschheit“